Sonntag, 3. August 2008

Das Ampelmännchen ist out

Das erste Mal bemerkte ich, dass etwas anders war nachts als ich aus der Türkei wiederkam. Unerwartet und irreal sah ich
anstatt rot ein Herz
anstatt gelb einen Stern
und anstatt grün einen Tropfen.

Es regnete und ich glaubte, dass sei mein melancholisches Bild von Berlin, welches ich immer habe, wenn ich in die Stadt zurückkehre.
Doch ein paar Tage später fuhr ich mit dem Fahrrad eine neue Strecke zur Arbeit und sah die drei Symbole wieder. Ich verpasste 5 Grünphasen, um die Ampel zu fotografieren.

Ich fragte mich, was das soll?
Komischerweise dachte ich zuerst: Wie großartig ist diese Stadt! Nur Berlin kommt auf die Idee, seinen Bürgern etwas Ungewöhliches zu bieten. Es sah alles so professionell und gewollt aus - so amtlich!

Das dahinter Straßenkünstler steckten, die Ampeln (illegal) besprüht haben, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Doch die Frage bleibt, was soll das?
Vielleicht eine Umweltaktion: "Liebt eure Erde und passt auf sie auf" (Herz = Liebe; Stern = Sonne; Tropfen = Wasser).

Aber eigentlich ist es egal, ob es einen tieferen Sinn gibt. Die Ampeln bereichern die Stadt und reißen die Menschen für einen kurzen Moment aus ihrem Trott. Dieses Unerwartete durchbricht das gewohnte Schema und lässt die meisten Menschen schmunzeln.

Daher hoffe ich, dass die "Gesetzlosen" weitermachen und alle Ampeln Berlins "verschönern".
Und wenn Berlin schon nicht selber auf diese glorreiche Idee gekommen ist, so wird diese liberalste aller Städte doch hoffentlich im Sinne von "be Berlin" von einer Bestrafung absehen.

Ein Hoch auf den Aktivismus!

Mittwoch, 28. Mai 2008

Stille in der Großstadt



Ich arbeite an einer lauten Strasse. Wenn ich mal den Kopf frei bekommen möchte, laufe ich über die Ampel und trete in eine andere Welt ein.
Der Torbogen ist grün berankt und innendrin ist es totenstill. Der Friedhof ist verwildert und die Gräber erinnern an Zeiten, in denen Menschen noch Heinrich, Agnes, Rudolph und Carl hießen.
In allen Ecken stehen Bänke unter Weiden, der Flieder blüht und die Vögel singen.
Ich fühle mich entspannt an einem Ort der Trauer? Ja.
Denn es fühlt sich eher an wie ein kurzer Besuch in der Toskana. Die Mauern sind so hoch - der Lärm der Stadt schafft es nicht hinein.
Zwei Dinge habe ich festgestellt. Zum Einen gab es früher schönere Berufsbezeichnungen. Da liegt der Magistratsbureauleiter neben dem Commerzienrat, Rittergutsbesitzer und dem Rentier. Damit ist natürlich nicht die Hirschart in den Tundren gemeint. Sondern eine Person, die vom angelegten Kapital oder der Landverpachtung gelebt hat.
Zum anderen waren die Menschen romantischer. Auf den Gräbern standen Sätze wie "Hier ruht mein innigstgeliebter Mann" oder "Die Liebe höret nimmer auf". Sehr schön auch "Hier trennt der Tod oft frühe die sich liebten, dort winkt ein frohes Wiedersehen - Einst wird die süße Hoffnung des Betrübten vehement in Erfüllung gehen".
Die Pause geht zu Ende und ich stelle auf dem Rückweg fest, dass Frieda und Emma schon immer zeitlose Namen waren.

Dienstag, 13. Mai 2008

Regen in Barcelona


Als ich darüber nachdachte, was ich mit in die Stadt der Sonne nehme, dachte ich an Bikini, Röckchen und Badelatschen. Ist Barcelona nicht ein Synonym für Strand, Meer, gute Laune, lange Kneipenabende, offene Schuhe und lufttiges Beinkleid?
Frieren im Mai - niemals!
Nun das Leben steckt voller Überraschungen. Während Berlin bei 27 Grad Karneval feierte, stürmte es in Barcelona. Ich habe noch nie soviele verendete Regenschirme in den Straßen gesehen. Soviel Regen auf einmal und von allen Seiten war mir neu.

Nun bin ich stolze Besitzerin meiner ersten Gummistiefel und werde nie vergessen, wie ich mit Regencape, Regenschirm und diesen schwarz-weiß-gepunkteten Prachtexemplaren die Ramblas entlanggewartet bin. Bizarr aber wunderbar!

Sonntag, 2. März 2008

Er hätte den Bären verdient

Das erste Mal Berlinale und dann gleich das Glück so einem Film zu sehen.

Beim "Kirchblüten Hanami" sollte ich mich neben Senta Berger setzen, die ihren Platz aber mit den Worten verteidigte: "nein, nein mein Mann kommt noch".
So sitze ich plötzlich hinter Jürgen Vogel (der ausgesprochen schön lacht), Klaus Wowereit und dem Filmteam. Alle klatschen. Die Kameras schüchtern mich ein. Ich bin froh als das Licht endlich ausgeht und wieder alle gleich sind.
Ich weine fast die ganze Zeit. Irgendwann sind die Taschentücher so nass, dass ich die Tränen laufen lasse. Der Film berührt mich - insbesonderer die Szenen in Japan. Gerade weil ich bisher keinen Zugang zu dieser Welt hatte, bin ich erstaunt wie nahe mir die Bilder gehen.
Die Lichter gehen wieder an. Doris Dörrie ist glücklich. Elmar Wepper sprachlos.
Beim Rausgehen sehe ich, wie Maria Schrader sich die Augen nachschminkt. Sie muss jetzt wieder arbeiten. Ich bin froh in die Masse zu verschwinden, um das Erlebte sacken zu lassen. Ich verlasse den Berlinale Palast, schreite über den roten Teppich und bin glücklich, jetzt nichts sagen zu müssen.

Sonntag, 6. Januar 2008

Drei paar Ohrringe

Ich konnte mir zu Weihnachten nicht soviel Zeit nehmen, um in aller Ruhe über die Weihnachtsmärkte zu schlendern, Weihnachtskonzerten zu lauschen oder mich mit meinen Freunden auf einen Glühwein zu treffen.
Meine Oma war sehr krank und wenn nicht die Arbeit mich fest im Griff hatte, verbrachte ich die Zeit an ihrem Bett.
Ich beschloss daher auf weihnachtliche Shoppingtouren zu verzichten und meinen Freunden dieses Jahr nichts zu schenken. Ich denke sie hätten es dem Geschenk angesehen, dass es unter Stress und Zwang gekauft wurde.
Zwischen den Jahren war ich in einem Schmuckladen, um Geschenktes umzutauschen. Als ich durch den Laden schlenderte, fielen mir drei Paar Ohrringe in die Hände, die mich an meine Mädels erinnerten. Sie waren so verschieden wie ihre Charaktere und brachten die Eigenart jeder einzelnen sehr treffend zum Ausdruck.
Die runden, knalltürkisen Stecker brachten die Lebensfreude von S. zum Ausdruck, die grünen Katzenaugen der mittelalterlichen Hängeohringe erinnerten mich an A. und die holzfarbene Creolen passten zum Stil von F.
Ich schrieb den Mädels einen Brief und legte Photos und die jeweiligen Ohrringe bei.
Es war ein tolles Gefühl, nicht nach einem Geschenk gesucht zu haben und dennoch das passende gefunden zu haben.
Dadurch wurde Weihnachten auch für mich besonders, weil ich es mit meiner Oma feiern durfte und weil ich erkannt habe, dass die Freude nicht auf einen Tag begrenzt ist. Die Dinge ergeben sich oft von selbst, wenn man sie lässt.